
Vor allem junge Männer, sogenannte Fitnessjünger, legen Wert auf definierte, fettreine Konturen und ein «geiles» Aussehen. Foto: greggmichaelphotography.com
Manche unter uns mögen sich vielleicht noch daran erinnern. Es gab einmal eine Zeit, da joggte der Mensch noch ohne Pulsuhr. Nach dem Lauf kam er nach Hause und hatte keinen Schimmer, wie viele Kalorien er verbrannt oder wie viele Kilo- und Höhenmeter er aufs Haar genau überwunden hatte. Heute wissen wir alles. Manchmal mehr, als wir wollen.
Aktivitäts-Tracker registrieren jede Bewegung. Fitnessarmbänder können nebst allem auch die Schlafqualität messen und den optimalen Lebensstil analysieren. Apps sagen, wer wie wann trainieren muss. Einfach mal losjoggen? Das war gestern. Und ehe man sich versieht, wird man als Sportler zu einem «Jünger». Einem Gefolgsmenschen irgendeiner Glaubensrichtung.
Als Läufer bevorzugt man entweder Asphalt oder Naturweg. Für den Kraftaufbau schwören die einen auf das Training mit dem eigenen Körpergewicht: Sie machen Klimmzüge, Liegestützen, Beinpressen, Hampelmann. Sie gehen ins Yoga, dehnen die Glieder bis zu jenem äussersten Punkt, bei dem die Muskelfasern knapp nicht reissen, und atmen dabei immer schön tief ins Zwerchfell.
Anderen ist das zu wenig. Viel zu wenig. Sie wollen keine Homöopathie, sondern «richtig». Das heisst: rasantes Muskelwachstum, definierte, fettreine Konturen und ein «geiles» Aussehen. Man nennt sie Fitnessjünger. Zu ihnen gehören – gemäss Studien – vor allem jüngere Männer. Um sich in der Disco selbstbewusster zu behaupten, verbringen sie mindestens vier Abende pro Woche in der Hantelabteilung. Arbeiten an ihrer Maximalkraft. Mit viel Gewicht und wenig Wiederholungen. Pumpen, pressen, stöhnen.
Doch mit dem Schweiss alleine hat es sich noch lange nicht. Sport und Ernährung, so weiss man heute, gehört zusammen wie Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll. Man kann schnell in etwas abrutschen. Herzhafte Hausfrauenkost gönnt man sich höchstens am sogenannten Sündentag, den die Diät-App einmal pro Woche erlaubt. Man befolgt entweder eine protein- oder eine kohlenhydratreiche Ernährung. Man wird Veganer oder Steinzeitmensch. Man kauft ausschliesslich Bio und ernährt sich von seltenen Äpfeln vom Hochstamm, von Beeren direkt vom Minergie-Busch im Gewächshaus. Man leistet sich Fleisch vom Rind, das Blüemli hiess und einen glücklichen Sommer auf der Alp verbracht hat. Oder aber man gehört zur komplett anderen Glaubensgemeinschaft, die auf Spezial-Shakes setzt. Sie wissen schon.
Jedem das Seine. Wie beim Fett. Entweder man meidet es wie der Teufel das Weihwasser, oder man macht es zu seiner Religion. Wie die Anhänger der Bulletproof-Diät. Diese Form der Ernährung macht so harte und stählerne Muskeln, dass der nackte Oberkörper auf Selfies kugelsicher aussieht. Um diesen Traum zu erreichen, pürieren sie zum Frühstück einen Würfel Butter von Weidekühen und einen Löffel Kokosöl in den Kaffee. Es ist für sie der effektivste und schnellste Weg, schlank, gesund und möglicherweise auch unsterblich zu werden.
Zu welchen «Jüngern» gehören Sie?
Der Beitrag Der Sportler wird zum Jünger erschien zuerst auf Outdoor.