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Channel: Natascha Knecht – Outdoor
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Arme Fische? Arme Kinder!

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Armer Fisch? Ein Junge kämpft mit einem Karpfen. Foto: Keystone

Frage: Was ist langweiliger als Fischen? Antwort: Beim Fischen zuschauen! Früher fand ich diesen Witz lustig. Aber vor einigen Tagen beobachtete ich zwei Buben beim Fischen. Zwei gut ausgerüstete Zwölfjährige ganz allein eifrig und konzentriert bei der Sache. Langweilig war das nicht.

Die Geschichte ereignete sich im grünen Berner Mittelland. Mein Sportsfreund und ich joggten um einen See. Zufällig kamen wir bei den Jungs vorbei und legten interessiert einen Stopp ein. Die Buben schienen ein eingespieltes Team zu sein. Neben sich hatten sie einen weissen Plastikeimer. Darin schwammen zwei kleine Fische. Eine bescheidene Beute nach zwei Stunden, wie sie etwas enttäuscht erklärten. Deshalb wollten sie nun ihren Standplatz wechseln. Um die Beute mitzunehmen, konnten sie diese nicht einfach aus dem Eimer nehmen und an der Luft verenden lassen. Sie mussten sie hier und jetzt ins Jenseits befördern: zielsicherer Schlag auf den Kopf, dann mit dem Sackmesser Kiemen durchschneiden. Das machten die Buben fachmännisch. Wahrscheinlich hatten sie einen Kurs besucht.

Beeindruckt liefen wir weiter und kamen auf den Schweizer Tierschutz zu sprechen, der Kindern neuerdings «das Töten von Fischen» verbieten will. Man ist der Meinung, solche Handlungen könnten zu einer «Abstumpfung gegenüber tierischem Leid» führen und das Verhalten prägen, da Kinder Gewalteindrücke besonders stark wahrnähmen. Mein Sportsfreund meinte, dies sei eine Idee, die «nur Städtern in den Sinn kommen kann». «Wäre es gescheiter gewesen, diese Buben hätten den schönen Nachmittag vor dem Fernseher verbracht?», fragte er. Oder am Computer? Am Handy?

Ich selber war als Kind zwar nie fischen. Aber ich erinnere mich, dass wir im Berner Oberland noch andere tierische Dinge auf Lager hatten: Wir schnitten mal einen Regenwurm in zwei Hälften, um zu sehen, ob er sich trotzdem noch bewegt. Wir spiessten Käfer auf. Wir hoben die Katze am Schwanz vom Boden. Aber vor allem waren wir jede freie Minute draussen in der Natur. Zu jeder Jahreszeit. So wie diese zwei Buben. Heutzutage sehe ich nicht einmal mehr auf dem Land viele Kinder, die «unbegleitet» an der frischen Luft spielen, auf Entdeckungsreise durch Wiesen und Wälder streifen, auf Bäume klettern – oder eben leidenschaftlich gerne fischen. In der Stadt, wo ich jetzt lebe, sowieso nicht.

Ein weiter Sportsfreund arbeitet in Zürich als Lehrer. Unter anderem unterrichtet er Turnen. Er sagt, die meisten der 14-Jährigen seien nicht in der Lage, einen Purzelbaum geradeaus zu schlagen. Einfache Balanceübungen auf einem Bein bringen sie nicht zustande. Körperspannung, was ist das? Das Einzige, was sie richtig flink bewegen können, sind ihre Daumen am Handy und ihre Zeigefinger an der Computermaus.

In der Schweiz lebende Kinder zwischen 10 und 14 Jahren treiben laut neustem Bericht des Bundesamts für Sport immer weniger Sport. Wäre «Scrollen» bereits als Sportart anerkannt, wäre das Resultat ein anderes.

Abstumpfung gegenüber tierischem Leid. Abstumpfung gegenüber körperlicher Aktivität. Arme Jugend! Fast wie die gefangenen Fische.

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