
Skitourenparadies: Die Fornohütte (SAC) steht im Grenzgebiet von Oberengadin und Bergell. Fotos: zvg
Erst reist man auf den Malojapass im Kanton Graubünden. Dort klebt man die Felle auf die Tourenski, marschiert vier Stunden durch eine Bilderbuchlandschaft bergan und erreicht so die Fornohütte. Wie viele SAC-Hütten steht sie oberhalb des Gletschers auf einem Felssporn. Aber anders als vor anderen SAC-Hütten weht hier zur Begrüssung keine Schweizer Fahne im Wind, sondern eine Europaflagge – und dieser Umstand gibt zu reden.
Immer wieder wird Beat Kühnis, der 29-jährige Schweizer Fornohüttenwart, darauf angesprochen. Die EU-Flagge hier oben war seine Idee. Er hisst sie eigenhändig und mit Überzeugung. «Sie ist ein Willkommenszeichen für unsere Gäste aus dem gesamtmitteleuropäischen Raum», so Kühnis. «Eigentlich dürfen sich von der Flagge auch alle Schweizer als Europäer angesprochen fühlen, zumindest geografisch. Doch das tun offenbar nicht alle.»
Kühnis sagt, die Flagge polarisiere überraschend stark, «insbesondere unter den Schweizer Gästen». Manche finden sie toll und sympathisch, andere komplett deplatziert. Zwei Meinungen, zwei Lager. Auch auf Facebook: «Was soll denn die Kriegsflagge? Unpassend!», schreibt einer.

Sieht man nicht alle Tage: EU-Flagge vor einer SAC-Hütte.
«Wir sind international hier oben»
Vor seiner Hütte auf 2574 Meter über Meer eine Europafahne zu montieren, beschloss Beat Kühnis nach der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative vor einem Jahr. «Wir haben rund fünfzig Prozent ausländische Gäste hier oben. Wir sind international. Die Grenze zu Italien ist nur einen Kilometer entfernt, und das Abstimmungsresultat war mir gegenüber unseren Gästen peinlich. Mit der Flagge will ich signalisieren, dass bei uns alle vorbehaltlos willkommen sind.» Kommt hinzu, dass die Fornohütte letzten Sommer ihr 125-jähriges Bestehen feierte und ihre alte, zerfetzte Schweizer Fahne ersetzt werden sollte.
Dass seine Kritiker grundsätzlich ausländerfeindlich eingestellt sind, glaubt Kühnis nicht. Es seien eher «Schweiz-Verbundene», welche die Bergwelt noch als heiligen, idyllischen Rückzugsort betrachten würden, als Urschweiz, ein Überbleibsel aus Heimatfilmen. Und in dieser Vorstellung hat die rot-weisse Fahne einen traditionellen Wert. Er selber, betont Kühnis, sei politisch neutral gesinnt. «Die Flagge bedeutet nicht, dass ich für einen EU-Beitritt bin.»

«Auf Forno ist der Himmel immer blau.»
Keine Weisung vom SAC
Die Fornohütte gehört der SAC-Sektion Rorschach, Kühnis ist Pächter und kann selber entscheiden, welche Flagge vor seiner Hütte weht. «Vom SAC gibt es keine Weisung und von der Sektion auch nicht», sagt er. Und es sei für ihn trotz der Diskussion kein Thema, die gelb-blaue Flagge auszutauschen. Sie ist sein Markenzeichen geworden, mit dem er auch wirbt. Etwa: «Auf Forno ist der Himmel immer blau» – das sei eine klare Anspielung, sagt er.
Manche finden das «mal was anderes». Für andere ist die himmelblaue Farbe auf dem Stück Stoff im Schweizer Hochgebirge eine Provokation. Wobei die Einstellung keine Frage der Generationen sei, sagt Kühnis. «Dass ältere Bergsteiger konservativer sind als junge, ist ein Vorurteil.»
So sah es früher bei der Fornohütte mit der Schweizer Fahne aus: hier anklicken.
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